Perfektion ist der sicherste Weg in die Ineffektivität

von Klaus Arendt

Fragt man ambitionierte Triathleten nach erfolgreichen Trainern, von denen sie gerne einmal trainiert werden möchten, fallen immer wieder die Namen Roland Knoll, Wolfgang Thiel, Ralf Ebli, Nina Eggert oder Bennie Lindberg. Trainingspläne für die unterschiedlichen Distanzen und Leistungsklassen werden mittlerweile aber auch kostenlos in Online-Portalen „zum Nachtrainieren“ zur Verfügung gestellt. Die Redewendung „was nichts kostet, ist auch nichts wert“ trifft hierbei jedoch nur bedingt zu, werden die allgemeingültigen Trainingsvorgaben bei seriösen Anbietern in aller Regel auch von erfahrenen Trainern erstellt. Diejenigen, die jedoch eine auf ihre Person ausgerichtete Planung bevorzugen, deren Budget allerdings für ein Personal Coaching nicht ausreicht, können sich auch für eine vergleichsweise niedrige Monatsgebühr über das Internet trainieren lassen. Grund genug, der in Läufer- und Triathlonkreisen etablierten go!-coach GmbH in seiner westfälischen Zentrale in Hagen einen Besuch abzustatten.

Langer Atem
Diejenigen von Ihnen, die hinter dem Gründer und Geschäftsführer des interaktiven Trainingsprogramms einen erfahrenen Berufstrainer mit A-Lizenz erwarten, muss ich zunächst enttäuschen. Andreas Oschmann absolvierte an der Musikakademie Kassel ein Musikstudium und ist seit 30 Jahren für das Philharmonische Orchester der Stadt Hagen als Violinist tätig. Sein erstes Engagement blieb für den mittlerweile 60-Jährigen auch sein bislang einziges. Während viele seiner früheren Kollegen gerade in jungen Jahren von einem Engagement zum nächsten wechselten, blieb er „seinem“ Orchester treu. Traurigkeit darüber, die eine oder andere Offerte ausgeschlagen zu haben, empfindet er nicht, konnte er doch parallel seiner ersten großen sportlichen Liebe, dem Unterwasserrugby, nachgehen. Als Spielertrainer kämpfte Oschmann mit seinem Bochumer Team in den Achtzigern mehrfach um deutsche Meisterehren. Da man Taktik, Erfahrung und den im wahrsten Sinne des Wortes langen Atem auch im Wettkampf nicht durch kurzfristige Schnelligkeit kompensieren kann, setzte der begeisterte Läufer die Ausdauersportarten als wirkungsvolles Ergänzungstraining zur Erhöhung der anaeroben Grenze ein. Schließlich bedeuteten im Training 10 x 50 Meter Tauchen/Schwimmen auf Zeit nichts Besonderes! Schon damals ärgerte sich Oschmann über falschen Ehrgeiz, regelwidriges und unsportliches Verhalten. Als ein Mitspieler anregte, verdeckte Fouls zu trainieren, traute er seinen Ohren nicht. Ob dieser seinen Ratschlag „Es ist besser, etwas langsamer in die richtige Richtung zu schwimmen, als blitzschnell in die falsche!“ beherzigt hat, daran kann sich Oschmann heute nicht mehr erinnern, zog er doch kurze Zeit später aufgrund von vereinsinternen Machtspielchen die Notbremse. Seitdem widmet er sich ganz dem Lauf- und Triathlonsport.

Geduld
Während seiner Unterwasserrugbyzeit entdeckte er auch seine Liebe zum Computer. Allerdings war er weniger an der Erstellung von Texten, Tabellen oder Grafiken interessiert, sondern an einem Programm, welches er zur Trainingsplanung einsetzen wollte. Aus einem ersten Gespräch mit einem befreundeten Informatikstudenten, entstand zwischen 1983 und 1987 nicht nur ein detailliertes Pflichtenheft, sondern auch die Programmierung des ICLP (Individuelles Computer-Lauf-Programm). Seine Geduld, sein Ehrgeiz und sein langer Atem, gepaart mit seinen Erfahrungen in der Musik und seiner Passion, dem Sport, hatten sich auch abseits des Konzerthauses und der Rennstrecken ausgezahlt. Wurden die ersten Pläne aufgrund der – heute unvorstellbaren – fehlenden Durchdringung von Internet und E-Mail noch auf Monatsbasis postalisch verschickt, begann mit dem Millennium auch für Andreas Oschmann eine neue Zeitrechnung: Er beauftragte für das bewährte ICLP eine Verjüngungskur, und zwar mit der Zielsetzung, nicht nur die interaktiven Möglichkeiten des Internets voll auszuschöpfen, sondern auch aktuellste Erkenntnisse auf den Gebieten der Sportmedizin und Trainingssteuerung einzuarbeiten. Oschmann, dessen Marathonbestzeit bei 2:36:58 Stunden steht, eignete sich sein gesamtes Wissen durch intensives Studium der verfügbaren trainingswissenschaftlichen Literatur an. Unterstützt wird er dabei durch seine
Frau, einer Medizinerin und weiteren Trainingsexperten.

Kommunikation
Allerdings hängt auch sehr viel vom Sportler selbst ab. Kein Trainingsplan auf der Welt führt zum Erfolg, wenn die Kommunikation zwischen Trainer und Athleten, egal ob per E-Mail, persönlich am Telefon oder über Eingabemasken unzureichend ist. In den Gesprächen mit seinen Kunden stellt Oschmann immer wieder fest, dass gerade Einsteiger versuchen, die Trainingsvorgaben unter allen Umständen 1:1 umzusetzen: „Dieser typisch deutsche Hang zum Perfektionismus führt in den meisten Fällen am sichersten in die Ineffektivität. Jedoch legt sich dies mit zunehmender Erfahrung und dem richtigen Gespür für den eigenen Körper, wann eine Einheit verschoben, verkürzt oder auch mal ganz ausgelassen werden kann. Solche kurzfristigen Änderungen werden dann in den folgenden – mittlerweile wöchentlich versandten – Plänen berücksichtigt.“ Rückblickend merkt Oschmann schmunzelnd an: „Was aus heutiger Sicht aus kolossaler Selbstüberschätzung begann, hat sich im Laufe der vergangenen knapp 20 Jahre systematisch zu einer aktuellen, flexiblen und qualitativ hochwertigen Anwendung hinentwickelt, die die Kunden bei ihrer Zielerreichung bestmöglich zu unterstützen versucht. „Und wie sieht sein Traum für die nächsten Jahre aus?“, wollte ich zum Abschluss meines Besuchs wissen. Ein weltweites Franchising seiner bereits in englischer Sprache verfügbaren Anwendung.